Wo wohnt Gott?

Leseprobe aus meinem vierten Roman "zum glück weg".

Es gibt fünf Bereiche im Leben, auf die man achten soll: Liebe (Partnerschaft, Familie), Freundschaft, Gesundheit, Arbeit, Finanzielles. Wenn in diesen Bereichen keine Mängel bestehen und sich alles im rechten Lot befindet, dann hat man schon sehr viel Lebensglück und Zufriedenheit in sich selbst gefunden. 
Manchmal glaube ich, dass wir unseren Glauben an Gott der Kleinheit der Kartographie und den Unterteilungen der Erde in Kästchen geopfert haben. Ich sehe keinen Gott, wenn mein Blick auf diese Weise begrenzt und eingeschränkt ist. Durch Häuser, Autos und Straßen, die Landschaften voneinander abgrenzen. Zu viele Grenzen auf unserer Erde. Die von uns gesetzten Grenzen definieren auch die Grenzen unseres transzendentalen Wissens. Der Logos, der Verstand, viel zu viel Wissen um Nichts – das alles ist da. Aber der Mythos, die Mystik, das Unerfassbare, das wir dennoch spüren können – das liegt hinter diesen Grenzen. Grenzen, deren Schöpfer wir selber sind. 
An Gott zu glauben, ist einfach, betrachten wir die Sterne, das Meer. Ich glaube an Gott, wenn ich an einer Klippe stehe. Der Wind bläst mir ins Gesicht. Er schmeckt nach Ozean, salzig, herb. Die untergehende Sonne wärmt meine Backen, meine Stirn. Der purpurne Schimmer der Abendröte legt sich auf mein Gesicht. Ich stehe an der Klippe, unter mir senkrechte Tiefe. Der Wind bläst vom Meer her, ich könnte mich ein wenig nach vorne lehnen. Der Wind trägt mich. Ich schaue in die Ferne. Nichts als Meer. Glitzernde Wellen, mit kleinen Schaumkrönchen. Keine hohen Wogen, nur sanfte Wellen. Ich sehe gebannt auf die sich immerfort verändernden Bilder, die vor meinem Auge entstehen. Die Wellen können hypnotisieren. Die Farbtöne reichen von Blau, Silber, Schwarz hin bis zu Golden, Rötlich. War das soeben ein Fisch? Eine Flosse? Die Bilder verschwimmen. Wirklichkeit und Fantasie wechseln einander ab. Alles schwingt friedlich. Alles ist eins. Die Naturgewalten, der Ozean, der an der Oberfläche liebliche Wellen wirft, in der Tiefe hingegen gleichzeitig reißende Strömungen birgt, gegen die kein Mensch anzukämpfen vermag. Alles ist friedlich und eins. Alles gehört zusammen. Dann spüre ich, dass es einen Gott gibt. Dass alles zusammenhängt. Dass alles einen Sinn macht. Dass ich mittendrin bin. Nicht am Rande. Nein. Sondern mitten im Geschehen. Das ist eine wichtige Erkenntnis. Mittendrin. Behütet. Irgendwie. Und von irgendwem. 

Ich liege irgendwo auf einer Insel, die noch wenig Lichtverschmutzung über sich ergehen lassen musste, auf dem Rücken. Es ist Nacht. Ich habe die Augen weit offen. Vor mir die unendliche Weite. Unzählige Sterne. Unzählige Galaxien. Schwarze Löcher, über die wir so wenig wissen. Wie viele Lebewesen gibt es da draußen? Wie groß ist das Universum? Wo bin ich? Und wo ist Gott? Ich verschmelze mit dem Sternenhimmel. Über mir Sterne. Neben mir Sterne. Und mittendrin ich. Wenn ich in die Unendlichkeit schaue, sehe ich ihn. Wenn mein Blick begrenzt ist, ist er verschwunden. 

Ich bin gerne weg. Weg von allem, was eng macht. Weg von allem, was klein macht. Keine Kästchen auf den Landkarten. Keine Grenzen. Dann spüre ich die Kraft. Das ist Leben für mich. 

Diese Freiheit schenkt den Glauben zurück. Man braucht nur in die Weite schauen und Gott ist sichtbar […].